11.02.23_Was bin ich…

…denn jetzt?

Inzwischen gebe ich auf Instagram und Facebook fast täglich etwas von mir Preis.

Es sind Geschehnisse und Stories die mich beschäftigen, die mir passieren. Mal Gutes, mal weniger Gutes. Ich beschönige nichts, ich habe nicht das Ziel, nur die guten Dinge zu erzählen. Ich habe weder ein großes Fachwissen, noch kann kann ich irgendetwas besonders toll. Ich möchte Euch nur das wahre Leben einer metastasierten Patientin aufzeigen und Anekdoten aus meinem Leben erzählen.

Denn ich erzähle von meinen Ängsten, Sorgen und ich erzähle von sehr privaten Dingen. Auch rufe ich zur Vorsorge auf, da dieser unangenehme Termin leider gerne vernachlässigt wird.

Mutmacherin,

Kämpferin,

Vorbild

Inspiration und

Idol

all das wurde ich in den letzten zwei Jahren genannt.

Aber bin ich das alles auch ? Was machen diese Worte mit mir?

Ich horche in mich hinein und frage mich, ob ich wirklich eine Mutmacherin oder gar ein Vorbild oder eine Inspiration bin.

Jedesmal wenn ich das lese, erröte ich. So ein großes Wort wird für mich verwendet! Dabei fühle ich mich doch klein. Nur eine von Vielen. Ich fühle mich wie ein kleines Zahnrädchen, das alles um sich herum zwar irgendwie bewegt und greift, aber mehr auch nicht. Eben ein Zusammenspiel mit anderen.

Und wenn ich dann so nachdenke, über meine Reise in den letzten 7Jahren, dann bin ich doch etwas…stolz? …ergriffen? Irgendetwas davon, vielleicht auch beides. Es ist so vieles passiert in dieser Zeit.

Diese Krankheit verändert einen. Man erträgt die vielen Operationen, man muss die unzähligen Arztbesuche über sich ergehen lassen, man muss immer weiter machen. Was bleibt einem sonst übrig?! Mit den Füßen stampfen und zornig sagen :“Ich will nicht mehr!“ , bringt einen nicht weiter. Nicht, dass ich das nicht schon versucht hätte 😉 bringt halt nichts. Rückschläge und Erfolgserlebnisse wechseln sich ab. Das Leben wird nie mehr so sein, wie es einmal war.

Bin ich deswegen eine MUTMACHERIN?

Ich bin ich. Wenn ich durch meine Geschichte anderen Mut machen kann, dann freut mich das natürlich. Wenn andere sehen, dass man mit einer solchen Erkrankung durchaus noch Spaß am Leben haben kann, und nicht nur im Krankenhaus seine Zeit verbringen muss, dann habe ich alles richtig gemacht.

Wenn ihr sagt, ich bin ein VORBILD, dann freut mich das. Nehmt die Dinge, die ich scheinbar richtig mache, und fügt noch eigene Dinge hinzu. Denn perfekt bin ich nicht! Ich sehe mich eher als perfekt unperfekt 😅

KÄMPFERIN

Dieses Wort wird in der Community zweiteilig angesehen. Denn wer gegen diesen mega großen und unfairen Gegner kämpft, kann nur verlieren! In den Todesanzeigen steht gerne „hat den Kampf gegen den Krebs verloren“. Wir wollten nie Kämpfen, wollten nie in diese unfaire Schlacht ziehen.

Manche sagen, sie nehmen sich der Krankheit an und arrangieren sich mit ihr. Das hört sich alles nach Friede Freude Eierkuchen an, ist aber in Wahrheit ein harter Weg, bis man diese Erkenntnis erlangt.

Ich bin eher so Zwischendrin. Jeden Tag, an dem ich aufstehen kann und den ich genießen darf, ist für mich ein gewonnener Tag. Ich akzeptiere nicht, dass ich diese Krankheit habe, warum sollte ich etwas akzeptieren, das ich nie wollte?! Aber ich lebe mit dieser Scheiße in mir und versuche das Beste daraus zu machen. Nicht verrückt zu werden und durchzudrehen ist mein täglicher „Kampf“. Jeden Tag diese Tabletten einzunehmen und regelmäßig in die Klinik zu gehen, ist mein Kampf. Irgendwann wird Edward mit seinen Gefolgstumoren gewinnen. Dessen bin ich mir bewusst. Und doch fühle ich mich nicht als Verliererin, denn ich habe dieses wunderbare Leben mit all den den wunderbaren Menschen um mich herum und ich unternehme ganz tolle Dinge. Das alles gibt mir die Kraft nicht auf den Boden zu stampfen, nicht zornig zu sein. Ok, manchmal traurig sein, manchmal weinen, manchmal diese Sehnsucht nach „Normalität“ verspüren…

Ich bin die „Gewinnerbraut“! Und das lasse ich mir von solch einem A…loch nicht nehmen!

Ich denke, ich bin, je nach Tagesform, immer eine der genannten Personen. Aber vor allem versuche ich authentisch für Euch zu sein! Und ich versuche Euch noch sehr lange vom Leben einer palliativen Patientin zu erzählen. Nicht in lyrischen Höchstleistungen, sondern wieder authentisch und perfekt unperfekt 😉☺️

Bleibt gesund und abenteuerlustig 🍀

Eure Nadja

12.09.22_a journey of a thousand…

…miles, begins with a step.

Ein Spruch, der auf so vieles passt. Egal was man anpackt, es ist entscheidend, dass man damit beginnt.

Sich nur etwas vornehmen reicht leider nicht aus. Dieser erste Schritt ist nicht immer einfach, umso stolzer kann man dann auf sich sein, wenn man etwas geschafft oder geschaffen hat.

“Machen ist wie wollen, nur krasser!“

Für manche ist dieser erste Schritt in eine Therapie sehr schwierig. Unsicherheit und Angst stehen den Patienten im Weg. Die Angst davor, dass die Therapie nicht anschlägt, dass Nebenwirkungen auftauchen, dass, dass, dass. Es gibt vieles vor dem man Angst haben kann, weiter jedoch, bringt sie einen nicht. Sich zu überwinden kostet Kraft, aber man wird sonst nie erfahren, ob diese Therapie vielleicht doch die Richtige gewesen wäre.

Ich bin eher die Patientin, die alles macht und schnell entscheidet und später denkt, ob die Operation vielleicht doch zu unüberlegt war. Jetzt nicht auf meine Krebserkrankung bezogen, eher auf so manche Knie OP und sonstigen Eingriffe, die ich schon über mich ergehen lies. Ein Mittelweg wäre super. Ein bisschen Angst gepaart mit Vernunft und reichlicher Überlegung.

In Bezug auf meine Krebserkrankung habe ich bis jetzt nur eine OP bereut. Ich kann jeder Patientin nur raten, Silikonkissen von Schönheitschirurgen einsetzen zu lassen. Ich habe meine rechte Brust von meinem Professor im Brustzentrum machen lassen, und die linke Brust von einem Schönheitschirurgen. Ratet welche schöner wurde…🫣😅

Allerdings muss ich auch zugeben, dass ich damals (2016) andere Sorgen hatte, und ich nur noch fertig werden wollte. Nach so vielen Operationen reicht es irgendwann. Insofern werfe ich mir nichts vor. Es war halt so. Ich halte sowieso nichts von den ganzen Schönheitsoperationen die sich Menschen machen lassen, die gesund sind. Jetzt könnte man sagen, wenn die „krumme“ Nase die Psyche so belastet hat, dann muss dem abgeholfen werden. Dann kommen noch die zu kleinen Brüste, die dünnen Lippen und natürlich noch der „dicke“ Bauch. Warum setzt man seine Gesundheit so aufs Spiel? Sollte man nicht erstmal an dem anscheinend mangelnden Selbstbewusstsein arbeiten? Anstatt einen scheinbar gesunden Körper einer Operation aussetzen, die den Körper Kraft kostet und vielleicht auch schief geht. Für mich, als Mensch, der so viele Operationen unfreiwillig durchleiden musste, unverständlich.

Ich kenne Patienten, denen leider schlechte Befunde mitgeteilt werden. Die nicht wissen, wie es mit ihnen weitergeht. Todesangst gepaart mit Unsicherheit ist ihr ständiger Begleiter. Schlägt die nächste Therapie an? Kommen weitere Metastasen dazu? Wie schnell wachsen die Metastasen? Wie lange darf ich noch leben?!

Wie baut man solche Menschen auf? Ich komme tatsächlich an meinen Grenzen. Weiß nicht, was ich sagen soll. Ich weiß, wie es ist, Angst um das eigene Leben zu haben. Und doch weiß ich nicht, welches die richtigen Worte sind. Alles hört sich wie Phrasen an. Was will man hören wenn es im Kopf nur noch rauscht und man keine Zukunft sieht?!

Und dann sehe ich wieder diejenigen, die jammern weil ihre Schönheitsoperation nicht so verlief, wie sie dachten. Was ein Kontrast! Ich möchte am liebsten laut schreien und ihnen sagen, dass sie froh sein sollen, sich nur über eine krumme Nase aufregen zu dürfen. Dass sie diesem Schönheitswahn nicht so viel Beachtung schenken sollen, anstatt ihrer Protein Shakes auch genießen sollen und sich nicht täglich auf die Waage stellen und wiegen. Dass ihre Sportsucht nicht gut für ihre Gesundheit ist und es nicht schlimm ist, wenn sie Kleidergröße 38 haben. Aber das ist alles subjektiv und für jeden ist sein Problem schlimm. Manchmal würde bestimmt ein Psychologe helfen, aber diejenigen müssen das selbst erkennen. Und das ist das Schwierige daran.

Ich schaffe es nicht, für diese Art der Probleme Mitgefühl zu haben. Ich bin zu sehr beschäftigt, mir selbst immer wieder Kraft zu geben und manch andere Aufzubauen und Mut zu machen.

Aber nun zu etwas erfreulichem….

Ich mache auch etwas für meine Psyche. Nein, ich gehe nicht zum Psychoonkologen.

Wir bauen einen Transporter zum Camper um. Ein mega großes Projekt, das uns seit Wochen, sogar Monaten beschäftigt. Wir haben uns einen Opel Movano gekauft und haben bereits begonnen Fenster einzusetzen und die Beschädigungen im Innenraum mit Rostschutz zu überziehen. Im Sommerurlaub planten wir, wie der Innenraum gestaltet sein soll. Ich habe Pläne gezeichnet, wir gingen unterschiedliche Varianten durch, und einigten uns schließlich auf eine.

Am Samstag wollten wir uns eigentlich nur einen Kühlschrank im Media Markt anschauen, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie viel 80l sind. Letztendlich waren wir drei Stunden noch im Bauhaus und haben bereits die Arbeitsplatte, die Tischplatte, die Deckenverkleidung und den Boden gekauft 😅 Uns gefiel eine Arbeitsplatte so gut, die musste es unbedingt sein. Nur leider ist diese Optik so schwer mit anderen kombinierbar. Als wir endlich eine Möglichkeit hatten, dass Fußboden mit Arbeitsplatte (und Tisch ist die gleiche Optik) und Deckenverkleidung passten, stellten wir fest, dass das Muster der Decke, ganz anders aussah, als die Originale im Karton. So erging es uns zweimal. Wir zweifelten schon an unserer Wahl der Arbeitsplatte, aber ich wurde bockig. Etwas muss einfach passen. Nach drei Stunden waren wir beide zufrieden. Ich hatte Kopfschmerzen und war fix-und fertig.

Als Deckenverkleidung nehmen wir Akustikpaneele. Die Raumakustik und das Raumklima wird durch diese Art der Gestaltung verbessert. Als nächstes haben wir Lemmy, unseren Van, gedämmt.

Ja, so ein Ausbau kann durchaus einen Psychoonkologen ersetzen. Man hat gar keine Zeit über das eigene Elend nachzudenken. Und man erschafft etwas Neues, Freude bringendes.

Außerdem haben wir seit 14 Tagen Nachwuchs. Jamie, eine Baby Katze ist bei uns eingezogen. Ich weiß, wir haben bereits zwei große Hund und eine Katze…was soll’s 😂 er ist süß, ich war bei der Geburt dabei, und ich kann doch zu so etwas süßem nicht „Nein“ sagen 🙈 Gerade findet die Eingewöhnung statt. Gar nicht so einfach mit zwei wilden Hunden und einer Katze, die jetzt schon weiß, dass sie sowieso sieben Leben hat! Sie teilt mächtig aus und die ein oder andere Ohrfeige kam auch schon bei den Hunden an…

Bei mir ist alles beim Alten. Meine Neutrophilen waren wieder zu niedrig (0,7) und ich sitze nun, eine Woche später, wieder im NCT und warte auf meine Blutergebnisse. Wie immer war die letzte Nacht kurz, ich werde mich wohl nie an die Besuche im Krankenhaus gewöhnen. Heute ist hier eine angenehme Stimmung. Ich sitze wie immer im zweiten Stock, trinke meinen Kaffee und kann in jedes Stockwerk schauen, da alles offen gestaltet wurde. Es ist ruhig, wenig los und irgendwie beruhigend. Irgendwie friedlich. Wenn jetzt noch mein Wert stimmt und ich meine Medikamente bekomme, dann ist der Wochenstart mehr als super.

…………………………

Das Arztgespräch ist vorbei, mein Wert von überragenden 1,98 haut mich fast vom Stuhl, und ich bin mit meinen Medis in der Tasche nun wieder gut zu Hause angekommen.

Ich wünsche Euch (und mir😉) eine unaufgeregte Woche mit lauter kleinen Problemchen 🍀

wagt den ersten Schritt, vielleicht folgen noch viele weitere 💪🏼❤️

Eure Nadja

01.06.22_Nach dem Camino…

…ist vor dem Camino!

Es wird getuschelt, dass es eine Sucht werden kann, den Jakobsweg zu gehen. Man überlegt bereits unterwegs, welcher Weg, der Nächste ist.

Willma Ruhe und mir erging und ergeht es nicht anders. Wir haben viel erlebt in dieser Zeit und träumten ständig von neuen Zielen und Verbesserungen die wir beim nächsten Mal machen. Das erschreckt uns selbst. Wie kann man so eine Selbstgeiselung wiederholen wollen?! Den ganzen Tag draußen, Kilometer um Kilometer mit Rucksack wandern, ständig andere Menschen um sich herum, permanenter Schlafentzug. Ich glaube, man muss es erleben um es zu verstehen. Um den Weg zu verstehen.

Es war das Abenteuer meines Lebens, soviel kann ich Euch sagen. Diese Erlebnisse, Eindrücke und Erfahrungen kann mir niemand mehr nehmen. Das ist jetzt makaber, aber ich stelle mir mich ab und an vor, wie ich krank und schwach im Bett liege und mir die Bilder und Videos dieser Reise anschaue, und mit Tränen und Freude an diese Zeit zurück denke. Und es mir hoffentlich weiterhin Kraft gibt.

Obwohl dies mein Blog ist, in dem ich Euch über meine Krebserkrankung schreibe, möchte ich diese Plattform nutzen, um Euch über den Camino zu berichten. Denn irgendwie finde ich, gehört auch diese Reise zu meiner Krankheit dazu. Schließlich sollte diese Reise mein letzter Wunsch sein…

Am 03.05.22 flog ich nach Bilbao um dann noch weitere zwei Stunden mit dem Zug weiter nach Burgos zu fahren. Hier startete ich am 04.05. alleine meine Wanderschaft in Richtung Santiago de Compostela um ans Kap Finisterre zu gelangen. 600km sollten es werden und ich hatte dafür 25 Tage Zeit. In meinen ersten Tagen alleine führte mich mein Weg durch eine teilweise karge Landschaft des kastilischen Hochlands (Meseta). Es ging steil bergauf und ebenso wieder steil bergab. Viele Stunden wanderte ich alleine und war dennoch nicht einsam. Immer wieder begegnete ich anderen Pilgern. Abends in den Albergen beim gemeinsamen Essen des Pilgermenüs traf ich auf Pilger aus allen Ländern dieser Welt.

Die Gedanken kreisten irgendwann nur noch um drei Fragen – Was esse ich heute? Wo schlafe ich heute? Wie weit laufe ich heute?

Man reduziert sich auf das Wesentlichste. Meine Krankheit wurde zur Nebensache und die Blasen an meinen Füßen gewannen an Priorität. Blasen hat hier jeder irgendwann einmal. Jeder hat etwas über seine Füße zu erzählen und alle wissen, wovon gesprochen wird. Das wäre hier in unserer Realität nicht machbar. Jeder würde das Gesicht verziehen und angeekelt schauen. Wir haben uns gegenseitig geholfen und sogar gegenseitig verarztet. Auch Fremden! Egal! Man versteht sich ☺️

Der Tipp, ich solle mir einen Faden durch meine Blase ziehen war genial. Komisch und befremdlich, aber sehr hilfreich. Ich kann es Euch nur empfehlen.

Ich lernte Magdalena kennen, auch eine Pilgerin, die wie so viele andere auch, in Saint-Jean-Pied-de-Port mit Ihrer Reise begann. Wir aßen Abends zusammen und trafen uns zufällig am nächsten Tag unterwegs. Diesen Tag liefen wir gemeinsam zu unserem Ziel. Sie erzählte mir ihre Geschichte, und als wir schon beinahe in unserem Ort waren meinte sie beiläufig, dass sie bereits seit sechs Jahren als Krankenschwester in der Onkologie arbeitet und wenn sie nach Hause kommt, sie in die Palliativ Station wechselt. Meine Blick hätte ich zu gerne gesehen. Die Erste mit der ich laufe arbeitet in der Onkologie? Zufall? Schicksal? Der Weg?

Ich erzählte ihr von mir und Magdalena war sehr positiv überrascht, dass ich so lange nach meiner Diagnose zu solch einer Leistung fähig bin. Die Reaktion war mir persönlich fast zu positiv.

Sollte ich bereits sterbenskrank sein? Ist es so abnormal, dass man in meinem Stadium noch so fit ist?

Diese Fragen beschäftigten mich am nächsten Tag. Selbstzweifel versuchten an die Oberfläche zu kommen und mir einzureden, dass in ein paar Jahren sowieso alles vorbei sei. Doch ich gab diesen Gedanken keine Chance zu wachsen und der Weg tat sein übriges um mich abzulenken.

Am Muttertag, passierte dann etwas, das meinen gesamten Weg bestimmen sollte. Ich knickte auf einer breiten Straße in Sahagun, mit meinem 10Kilo Rucksack auf dem Rücken, um. Asphaltplatten hatten sich versetzt und mein Blick war auf die Pfeile für uns Pilger gerichtet, die uns immer den Weg zeigen. Dieser Versatz der Platten zwang mich in die Knie. Der Schmerz war sofort unerträglich und ein Aufstehen ohne Hilfe undenkbar. Vier Italiener eilten sofort herbei um mich zu verarzten. Genau diese vier Personen beäugte ich die ganzen Tage vorher mit kritischem Blick. Wollte mir Miss Karma etwas mitteilen? Nicht gleich urteilen, sondern erst einmal meinem Gegenüber eine Chance geben sich zu zeigen wie sie wirklich ist.

Und nun verarzteten und kümmerten sich diese vier Personen ganz liebevoll um mich. Nach viel Desinfektionsmittel, Tupfen und Streicheleinheiten wandten sie sich wieder ihrem Weg zu und überließen mich meinem Schicksal. Ich konnte nicht auftreten und somit auch nicht weitergehen. Also landete ich in einer fragwürdigen Bar, aber ich urteile ja nicht 😉, und bekam unmengen an Eis für meinen geschwollenen Fuß und Tortilla für meine Seele. Nach ein paar Tränchen musste ich leider den Beschluss fassen, dass es in die nächst größere Stadt nur noch mit dem Zug oder Bus weitergehen kann.

Am Bahnhof angekommen, lernte ich einen Südkoreaner kennen, dessen europäischer Name Emanuelle ist. Wir verständigten uns mithilfe von Übersetzungs Apps und Handzeichen. Auch er ist Pilger und möchte in die gleiche Stadt wie ich, nämlich Leon. Ich fand heraus, dass der nächste Zug erst um 17:30Uhr fuhr. Seine Reaktion auf diese Tatsache war: “Beer?“ 😂 Naja, was sollte ich auf diese charmante Frage antworten, schließlich hatten wir noch viele Stunden bis dahin. Und es war Sonntag. Die Alternativen waren somit überschaubar. Wir gingen in die nächste Bar. Er versuchte meinen Rucksack zu tragen. Versuchte. Ich übernahm ihn dann wieder und hinkte hinterher. Somit verbrachte ich einen Sonntagnachmittag in einem Irish Pup. Mit einem Koreaner der mir ein fragwürdiges Spray am Fuß verpasste und gefallen an “Beer“ fand. Der Fuß ist mir glücklicherweise nicht abgefallen und den Koreaner habe ich auch gut nach Leon gebracht. Insofern war es trotz Allem ein sehr witziger Nachmittag.

In Leon hatte ich dann zum Glück für drei Nächte ein Hotelzimmer. Ich pflegte und verarztete meinen Fuß und Willma kam dann wie abgemacht zu mir. Wir starteten am Mittwoch mit 11Kilometer, einfach um zu schauen, wie mein Fuß auf diese Belastung reagiert. Täglich steigerten wir unser Pensum und Willma kam mit jedem Tag mehr auf dem Weg “an“. Die erste Aufregung wich und sie knüpfte Kontakte und fühlte sich sichtlich wohl. Trotz der Gemeinschaftsunterkünfte, trotz der Ernährungsumstellung. Mit ein paar Blättern Salat und etwas Fisch hält man hier nicht lange durch. Der Körper verliert täglich ein paar Liter Schweiß und wir waren den ganzen Tag in Bewegung. Ein bisschen mehr musste es schon sein. Frühstück, Mittagessen und Abends das Pilgermenü waren immer willkommen. Auch gerne mal ein Gläschen Wein.

Am berühmten Cruz de Ferro wurde es für uns beide sehr emotional. Wir dachten an geliebte Menschen, an Kranke, an unfassbar traurige Schicksale und legten diese in Form von persönlichen Niederschriften an dem Kreuz nieder. Uns gegenseitig tröstend folgten wir weiterhin unserem Weg.

Wir wanderten mal nebeneinander, mal getrennt, mal plappernd, mal leise. Aber immer zusammen. Immer mit Blick aufeinander. Immer mir Blick zum Ziel. Und dieses Ziel kam immer näher. Die letzten 100km waren geprägt von den Tagespilgern. Teilzeitpilger. Ich mit meinen 25 Tagen war schon beinahe ein Teilzeitpilger. Hier waren Menschen unterwegs, die hatten 60Tage Zeit, drei Monate oder sogar noch mehr. Wahnsinn. Also wenn Ihr solch eine Reise plant, bringt etwas Zeit mit😉

Jeden Tag liefen wir bergauf und bergab. Mal auf Passhöhen, mal neben einer Landstraße, mal durch Weinberge. Die Vegetation wechselt ihr Aussehen. Von kargen Landschaften, durch satte grüne Wälder. Lavendel begleitete uns am Wegesrand, ebenso wie große Büsche Thymian. Aber eines war immer sicher, wir trafen immer wieder Pilger, die wir schon kannten ☺️

Einen Tag vor Santiago wusste ich, nachdem ich meinen Wanderschuh ausgezogen hatte, dass Santiago nicht nur das Ziel von Willma sein wird, sondern auch mein Ziel. Der Traum an das Kap Finisterre zu laufen, war in diesem Moment verpufft. Immer wieder unterwegs motivierte ich mich mit der Vorstellung, wie ich Richtung Wasser laufe. Immer wieder hatte ich bei dieser Vorstellung Tränen in den Augen dies zu schaffen. Doch leider sollte es nicht sein. Ich sah einen rot-blau geschwollenen Mittelfuß und wusste, dass ich es nicht weiter schaffe. Santiago ist Endstation. Alles andere wäre unverantwortlich.

„Aufgeben ist keine Option“ ist immer mein Spruch. Doch nicht, wenn es der eigenen Gesundheit schadet. Leise weinend versuchte ich diese neue Situation zu verkraften. Mit Schnuggi und Willma ging ich die verschiedenen Möglichkeiten durch, die mir noch blieben. Ich legte meinen gebuchten Flug von Samstag auf Dienstag vor und würde somit nur noch am nächsten Tag mit Willma nach Santiago laufen und Montag noch die Stadt erkunden. Dienstag fliegen wir gemeinsam nach Hause.

Diese Nacht war die Schlimmste auf dem ganzen Weg. Furchtbare Unterkunft, kaputter Fuß und der Kopf will nicht ruhen. Wie soll man da auch nur ein Auge zu bekommen?

Um 5:13Uhr am nächsten Morgen gingen die Ersten bereits los! Wir hatten noch 20km bis zum Ziel. Ein tolles Frühstück mit Waffeln und schon starteten wir. Unser letzter Tag der Wanderschaft. Wir waren jetzt schon wehmütig. Es war ein gefühlt endloser Weg. Es ging durch Wälder, um den Flughafen herum, bis wir endlich die Stadt zu sehen bekamen. Und uns ging es immer schlechter. Willma klagte über Schmerzen komplett ab Hüfte nach unten, ich bekam zwei Kilometer vor Ende bei jedem Schritt einen stechenden Schmerz im Mittelfuß. Es war die Hölle. Jeder Schritt tat uns weh. Aber ich sagte Schnuggi noch am Vorabend, dass ich auf jeden Fall ins Ziel komme, und wenn es auf allen Vieren ist. So ähnlich war es dann auch. Die Stöcke wurden zu Krücken und unsere Geschwindigkeit näherte sich der Zahl Null an. Mit Tränen in den Augen und nur noch den Tunnelblick auf die Kathedrale gerichtet ging es Schritt für Schritt vorwärts. Ja, ans Kap wäre ich nicht gekommen. Das leuchtete dann sogar mir ein 😉

Endlich waren wir am Ziel angekommen, wir standen vor der Kathedrale! Tränen liefen und wir umarmten uns. Diese Emotionen kann man nicht beschreiben. Die muss man einfach selbst erleben. Irgendwie ist man nicht mehr man selbst. Sogar jetzt beim Schreiben bekommen meine Augen einen feuchten Schleier. So tough und cool wir doch zu sein scheinen, hier waren wir wie alle anderen. Wir heulten, lachten, machten Fotos und konnten es nicht fassen hier zu stehen.

Natürlich erfuhr mein Fuß keine Wunderheilung, mit Santiago erkunden war nicht viel. Ich kaufte am nächsten Tag ein paar Souvenirs und ansonsten lag mein Klumpfuß auf irgendwelchen Stühlen rum. Die restlichen zwei Abende verbrachten wir mit Pilgern, die wir bereits kennenlernen durften und zufällig wieder trafen. Manche zogen noch ans Kap Finisterre weiter, für andere war nach 800km nun Endstation.

Mit meinem Schicksal hadernd hörte ich mir Geschichten von denen an, die vom Kap schon wieder zurück kamen. Ich sah Bilder im Status der Glücklichen und wurde jedesmal wehmütig nicht auch dort zu sein. Viele meinten, ich solle den Weg in den Sommerferien nachholen.

Aber vielleicht soll es gar nicht sein, dass ich mir meinen letzten Wunsch erfülle? 🍀

Vielleicht bin ich einfach noch nicht an der Reihe…🍀

Wenn ich dafür alt, grau und runzlig werde verzichte ich gerne auf dieses Abenteuer! 🍀

Es steht somit immer noch auf meiner Liste. Als einziger Wunsch.

Irgendwie habe ich das Gefühl, dass es auch andere Wege gibt, die auf mich warten 😉☀️

Zu Hause angekommen besuchte ich gleich meinen Orthopäden. Das Röntgenbild zeigte einen eindeutigen Bruch des unteren Wadenbeins. Keine Bänderdehnung! Als ich ihm erzählte, dass ich damit 300km damit gelaufen bin, lachte er…🙈 Nun darf ich für sechs Wochen eine Orthese tragen und soll den Fuß schonen. Ein MRT für den Mittelfuß steht für morgen auf dem Programm. Man könnte sagen, ich habe mich rentiert. Aber wisst Ihr was?! Es gibt schlimmeres, und ich bereue auch nicht, dort nicht zum Arzt gegangen zu sein. Ich hätte dies alles nicht erlebt, wenn ich in Leon bereits von einem Bruch gewusst hätte. Diese Zeit ist durch nichts zu ersetzen 🍀

Wenn Ihr Lust bekommen habt Euren Weg zu gehen, lasst Euch nicht aufhalten, ich kann es jedem nur empfehlen. Ich bin kein spiritueller oder christlicher Mensch, und trotzdem fesselt mich dieser Trip und ich kann nicht aufhören, davon zu erzählen und daran zu denken. Wenn ihr fragen habt, dürft ihr mich natürlich gerne kontaktieren. Ich habe während der Reise täglich ein kleines einfaches Video auf Youtube in meinem Kanal “Gewinnerbraut“ eingestellt. Gerne dürft Ihr Euch das anschauen, liken und natürlich dürft Ihr den Kanal auch abonnieren. Vielleicht gehts ja irgendwann weiter? 😅

https://youtube.com/channel/UCKUwhMdiHyo6JIvKoLWBiNQ

Sag niemals nie…

Buen Camino

Eure Nadja

01.03.22_Das erste Jahr…

…mit Metastasen habe ich hinter mich gebracht!

Zyklus 12 ist beendet…Ein Jahr voller Höhen und Tiefen. Hoffnung und Verzweiflung reichten sich oft die Hand. Inzwischen bin ich gefasster, ich habe keine Angst vor dem Tod. Auch wenn ich nicht sterben möchte, aber wenn es soweit ist, dann soll es so sein. Ich habe mir viele Nächte Gedanken um dieses Thema gemacht. Habe mein Testament gemacht, es ist alles vorbereitet. Naja, zumindest auf dem Papier. Aber ist es meine Familie, sind es meine Freunde? Wahrscheinlich ist man nie darauf komplett vorbereitet. Ich bewundere die Frauen, die Ihre Abschiedsvideos in den sozialen Netzwerken einstellen. Sie strahlen so eine Sicherheit aus. Eine Ruhe. Wenn der Tod zu Erlösung wird. Soweit bin ich noch nicht. Es geht mir soweit ganz gut. Die Medikamente schlagen an, meine Nebenwirkungen sind gering. Was sind schon Gelenkschmerzen und ständige Hitzewallungen mit Schwindel im Vergleich zu den Patienten, die täglich um Ihr bisschen Leben, das sie noch haben, kämpfen müssen. Frauen, die nach der Chemo zusammenbrechen, die bewusstlos vom Pflegedienst gefunden werden. Die nicht mehr in der Lage sind sich selbst zu versorgen. Von kranken Kindern möchte ich gar nicht erst anfangen! 😔

Wir alle haben unseren Krieg. Irgendwie. Da brauchen wir nicht noch einen zusätzlichen Krieg bei dem noch mehr unschuldige Menschen tagtäglich sterben müssen. Ist es vermessen von mir, deren Schicksal mit meinem zu vergleichen? Wir alle kämpfen an unterschiedlichen Fronten. Jeder Krieg ist ein Krieg zu viel. Es fängt schon im Kleinen an. Im täglichen miteinander. Wir bekriegen uns gegenseitig. Schließen Menschen aus unserem Leben aus, weil sie sich nicht impfen lassen, weil sie anderer Meinung sind, weil sie keine Sternchen an Wörter hängen. Beleidigen, beschimpfen andere. Mich belastet das Alles. Was ist politisch korrekt, was nicht? Bekomme ich einen Shitstorm weil ich meine Meinung schreibe, die vielleicht nicht Mainstream ist? Warum behandeln wir uns gegenseitig so abfällig, wo es doch so viele schlimmere Schicksale gibt. Wo es tatsächlich um Leben und Tod geht.

Genug davon. Genug von schlimmen Gedanken.

Ich sitze mal wieder hundemüde im NCT und warte 🙄 Hoffentlich stimmen heute meine Werte, damit ich meine Medikamente mit nach Hause nehmen darf. Ich glaube, daran werde ich mich nie gewöhnen. Diese Hilflosigkeit und nicht zu wissen, wie man diesen verf… Wert beeinflussen kann. Ich habe es mit rotem Fleisch versucht, das klappte auch zwei-, dreimal und dann wieder nicht mehr. Dieses Wochenende gab es Rinderfilet und Hühnchen. Da ich inzwischen vegetarisch lebe ist dies für mich etwas besonderes. Vielleicht hat es etwas gebracht. In ein paar Stunden weiß ich mehr.

Warten, warten, warten! Auf alles. Immer. Ich warte seit vielen Wochen auf ein Schreiben, in dem mir hoffentlich bescheinigt wird, dass ich ab Juni mit einer Wiedereingliederung beginnen kann. Nach einer telefonischen Nachfrage wurde mir nun mündlich mitgeteilt, dass ich „voraussichtlich“ wie geplant beginnen kann. Voraussichtlich! Ich solle auf das endgültige Schreiben warten. Jeden Tag warte ich. Ich beobachte sogar den Postboten von meinem Küchenfenster aus, ob er etwas in den Briefkasten wirft. Ich sollte mir ein Kissen auf meine Fensterbank legen, das schont die Ellenbogen 🙈😂

Ich würde doch gerne meine Zeit bis dahin planen. Ich möchte im Mai pilgern gehen. Und das mache ich nicht gerade nebenbei. Mein Weg wird voraussichtlich 600Kilometer lang sein. Voraussichtlich 😉 Jetzt bereite ich mich trotzdem darauf vor. Das kann mir sowieso nicht schaden. Ich versuche täglich längere Strecken zu gehen. Und wenn das Wetter mies ist, dann wandere ich auf unserem Laufband. Mit Steigung 🙄Ich habe keine Ahnung ob ich diesen Weg schaffe, ich kann meinen Körper nicht mehr einschätzen. Da ich vermehrt Gelenkschmerzen durch die Medikamente habe, fühle ich mich uralt. Ich stehe vom Sitzen auf, und muss erstmal ein paar Schritte gehen, bis wieder alles “geschmeidig“ funktioniert. Nicht nur, dass das bescheuert aussieht, ich fühle mich auch so. Wie wird das, wenn ich im Schnitt täglich 30km gehe?! Naja, ich werde mich auf jeden Fall verfluchen. Das ist sicher😅 Aber dieses Abenteuer kann mir dann niemand mehr nehmen ☺️ Das mache ich nur für mich, für meinen Körper und meinen Geist.

Scheiße, was habe ich mir da nur in den Kopf gesetzt 🙈😅😂

Da gestalte ich doch lieber Backvideos. Wie Ihr wisst, probiere ich seit Beginn meiner Diagnose Rezepte aus, die vegetarisch, lowCarb und glutenfrei sind. Also ohne Alles 😂 Inzwischen behaupte ich, einige ganz gute Kuchen backen zu können, und möchte diese Euch zeigen. Ich hatte zu Beginn selbst das Problem, dass viele Rezept im Internet entweder nicht schmeckten, oder einfach nicht funktionierten. Das war echt frustrierend. Auch diese vielen neuen Zutaten die ich dafür benötigte, mit denen ich mich überhaupt nicht auskannte. Deswegen, und auch weil es mir Spaß macht, filme ich mich beim Backen. Vielleicht möchtet Ihr mal reinschauen. Ihr findet mich auf you Tube unter “Miss Käsekuchen“ ☺️ Oder hier ….😉

Viel Spaß beim nach backen. Ach ja, ich rede Dialekt. Solltet Ihr etwas nicht verstehen, fragt mich ruhig. Und wenn Ihr mich abonniert, dann verpasst Ihr kein neues Video von mir 😁

Jetzt geht es mir besser. Ich habe mich ausgekotzt. Auch mein Wert der Neutrophilen mit 1,14 passt gerade so. Ich habe mein Palbociclib und die nächsten vier Wochen sind gerettet!

Danke, dass Ihr da seid. Dass ich mit Euch Freud und Leid teilen darf ☺️

Jetzt kann ich auch hoffentlich wieder besser schlafen, und mich voll und ganz der Vorbereitung auf meinen “Wandertrip“ konzentrieren 🍀

Bleibt gesund und genießt die Sonne ☀️