15.03.23_Meine Stimme…

…für dich mein Kind!

Eine großartige Möglichkeit ergab sich für mich. Lange habe dies für mich behalten, und glaube mir, das war nicht einfach für mich 😅

Bei einem meiner letzten Besuche im NCT in Heidelberg wurde ich darauf angesprochen, ob ich nicht Lust hätte, an einer weiteren Studie teilzunehmen. Es werden nur Patienten mit Metastasen und minderjährigen Kindern gefragt. Ich bin dafür natürlich prädestiniert. In dieser Studie geht es um die Erforschung, wie sich das Erzählen der eigenen Lebensgeschichte auf uns Patienten auswirkt.

Kurz gesagt: Ich wurde gefragt, ob ich ein Familienhörbuch aufnehmen möchte!!!

(Do regt mich schu die Frog uff! 🤪)

Natürlich möchte ich das. Ich musste überhaupt nicht überlegen und sagte sofort zu. Wochen vorher habe ich bereits mitbekommen, wie eine Patientin auf Instagram über dieses Erlebnis berichtete. Damals war ich noch skeptisch, ob das etwas für mich wäre. Mein Leben war nicht immer nur positiv und rosarot. Aber welches Leben ist das schon?!

Als ich jedoch in diesem kargen Arztzimmer saß, und diese Chance nur eine Unterschrift entfernt war, konnte ich nicht „Nein“ sagen. Man erklärte mir, dass ich mich damit verpflichte, vor der Aufnahme und danach einen Fragebogen über mein Befinden auszufüllen. Mehr nicht! Das Ganze wird von der Dietmar-Hopp-Stiftung gesponsert und es bekommen 50 Patienten diese Chance. Denn normalerweise kostet eine solche Aufnahme zwischen 6000-8000€. Man erklärte mir, dass alles absolut professionell abläuft. Ich bekomme eine Audiobiografin an meine Seite, und wir würden mehrere Tage meine Lebensgeschichte aufnehmen. Zum Schluß habe ich ein Hörbuch für meine Tochter, das circa 6Stunden dauern wird. Die Aufnahmen gehören mir alleine, niemand darf darauf zugreifen, oder sogar veröffentlichen.

Ich hinterlasse nicht nur Erinnerungen und Fotos, sondern auch meine Stimme, die somit nie wieder in den Erinnerungen meiner Tochter Herzkirsche verblasst!

Ich war baff, begeistert, ängstlich. Auf was habe ich mich hier nur eingelassen?

Es verging kein Tag, kam auch bereits die erste Email von der „Familienhörbuch“ Organsiation. Wir telefonierten um auch abzuklären, von welcher Region meine Audiobiografin sein sollte. Da ich mehrere Tage bei ihr verbringen würde, sollte die Anreise angenehm und möglichst nah sein. Ich durfte entscheiden, ob ich die Aufnahme zu Hause machen möchte, im Hotel, oder bei der Audiobiografin selbst. Da man hier seine intimsten Geschichten erzählt, sollte man sich natürlich auch in dem Umfeld wohl und geborgen fühlen. Kurz darauf wurde mir eine Dame empfohlen, die gerade mal 10km entfernt wohnt. Wir sprachen miteinander und lernten uns kurz kennen. Sie bot mir an, dass wir die Aufnahmen gerne bei ihr machen können. Dieses Angebot nahm ich dankend an, denn mit zwei großen Hunden, zwei Katzen und einem Kind, macht immer irgendjemand Geräusche. Und wenn es nur die schnarchenden Bulldogge ist😉

Es wurde wirklich nach alle meinen Befindlichkeiten geschaut. Auch das Datum und die Tageszeit durfte ich selbst wählen. Ich entschied, dass es wohl am klügsten sei, die Aufnahmen erst nach Fasching zu machen 🙈 Ich singe und feiere einfach zu gern. Und das geht gerne mal auf die Stimme. Ich möchte schließlich nicht heißer klingen, sondern engelsgleich wie immer 🤣

Viele Tage vor unserem Termin begann ich, mein Leben Revue passieren zu lassen. In Stichworten schrieb ich Meilensteine und besondere Ereignisse auf. Auch mit meinem Bruder unterhielt ich mich über Ereignisse, die er besser in Erinnerung hatte, als ich. Ich machte mir über Lieblingsmusik, Lieblingsbücher und Vorlieben von Herzkirsche Gedanken. Ich kramte in Kisten mit Erinnerungsstücken, schaute mir alte Bilder an. So vieles hatte ich vergessen, verdrängt oder einfach in meinem Gehirn ganz weit nach hinten verlagert. Ich wollte es gut machen. Ich wollte Herzkirsche all das erzählen, was mich und die Personen um sie herum ausmachen. Wie und warum alles so wurde wie es jetzt ist. Ich hatte zwar keine Ahnung, wie ich so viele Stunden mit erzählen füllen sollte, aber ich freute mich wie ein kleines Kind auf diesen Termin.

Aufgeregt fuhr ich zu meiner Audiobiografin Frau Roth. Eine nette und herzliche Frau öffnete mir die Tür. Sie machte mir Tee und zeigte mir ihren Aufnahmeraum. Der gar nicht steril und mit Eierkartons an den Wänden war. Meine Fantasie ging anscheinend mit mir durch 😅 Ein Couch stand in dem Raum bereit, der Tee duftete auf dem Tisch. Alles war angenehm und heimelig. Ich sollte mich bequem hinsetzen, damit sie das Mikro direkt vor meiner Nase platzieren konnte. Aber irgendwie fand ich keine ideale Stellung. Mir fehlte ein Tisch um meine Arme aufzulegen. Ach ja, und da kam wieder Mrs. Sonderwunsch zum Vorschein. Frau Roth bot mir ihren Schreibtisch zum Sitzen an. Das war viel besser für mich, da konnte ich mich wohlfühlen ohne mich ständig zu bewegen. Anscheinend war ich bis jetzt die Erste, die diesen Sonderwunsch hatte 🙈😂 Ein bisschen unangenehm war mir das schon, aber Frau Roth, machte es mir leicht, dieses Gefühl beiseite zu schieben.

Sie erklärte mir, dass wir einzelne Kapitel machen, und ich immer stoppen sollte, sobald meine Stimme versagt. Alles wird zum Schluss von einem Sounddesigner geschnitten und bearbeitet. Auch Überschriften benötigen wir, ein Anfangs-und Schlußwort, begleitende Musik und so weiter. Wahnsinn, über so vieles hatte ich mir Gedanken gemacht, und doch gab es noch so viele Fragezeichen.

Endlich ging es los. Ich entschied mich für eine chronologische Reihenfolge und begann zu erzählen. Ich erzählte es meiner Tochter, wie wenn sie direkt vor mir sitzen würde. Ich sprach sie an, und lachte auch mit ihr. Ich erzählte ihr mein Leben und es war fantastisch. Das Erzählen fiel mir überhaupt nicht schwer. Sobald wir pausen machten, begann ich zu schwitzen und zu frieren gleichzeitig. Ich hatte jedesmal Achselschweiß danach 🙄 Mein Blick ging beim Erzählen nach innen, und ich erzählte die Bilder, die ich vor meinem inneren Auge sah. Anscheinend machte ich das gut, wir kamen schnell voran, mussten nichts wiederholen. Dann kamen wir zu dem Punkt, an dem ich mich entscheiden musste, ob ich „Tresor“ Kapitel machen möchte. Das sind Kapitel, die meine Tochter erst zu einem festgelegten Zeitpunkt anhören darf. Lange überlegten wir über Vor- und Nachteile, gerade die Zeit ab der Diagnose der Metastasen ist eine sehr emotionale Zeit und nicht immer eine leichte Kost. Somit musste ich mir auch endgültig Gedanken machen, wann ich dieses Hörbuch meiner Tochter überreichen möchte. Sofort? In ein paar Jahren? Wenn mein Ende absehbar ist?

Ich denke, ich habe einen guten Weg gefunden und freue mich darauf, wenn ich es mir selbst zum ersten Mal anhören kann. Es wird bestimmt komisch sein, die eigene Stimme zu hören. Und mein Geplapper 😅 Wer mich kennt weiß, dass ich mir über die Aufnahmelänge keine Sorgen hätte machen brauchen. Ich redete wie ein Wasserfall 😂 Mein Mann hat es mal wieder gewusst, er meinte damals sofort, dass ich sogar über Geschehnisse von einem Tag, die sechs Stunden Hörbuch ausfüllen kann 🤪🤣

An einem der Tage kam eine Frau der Dietmar-Hopp-Stiftung und interviewte uns. Sie blieb auch bei uns, um sich anzuschauen, wie solch eine Aufnahme abläuft. Die Stiftung möchte auf ihrer online Seite einen Artikel über das Familienhörbuch veröffentlichen. Ich bin Herrn Hopp dankbar, er bringt sich so sehr in unsere Region ein, ermöglicht Jung und Alt so vieles ❤️

Das Familienhörbuch https://familienhoerbuch.de/ finanziert sich ausschließlich über Spenden. Deswegen habe ich eine Spendenaktion ins Leben gerufen, dass viele weitere Patienten die Möglichkeit bekommen, ein Hörbuch für ihre Kinder aufzunehmen.

Damit auch deren Stimme nicht in den Erinnerungen verblasst.

Lass uns gemeinsam Gutes tun 💪🏼 Spendenaktion:

https://www.betterplace.org/de/fundraising-events/44293-meine-stimme-nur-fuer-dich-mein-kind?utm_campaign=user_share&utm_medium=fepp_stats&utm_source=Link

Für deine Unterstützung bin ich sehr dankbar

Deine Nadja ❤️

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