ich hier Miete bezahlen!
So oft und lange wie ich hier in dieser Cafeteria des Universitäts Klinikum Heidelberg sitze. Wie viel Kaffee habe ich hier bereits getrunken?!
Und gerade ist es wieder soweit. Ich warte, trinke Kaffee und versuche geduldig zu sein. Heute ist nicht nur Blutabnahme und hoffentlich überreichen meiner neuen Medikamente, sondern viel wichtiger, heute ist Befundbesprechung. Die Untersuchungen waren bereits Mitte Juli. Ganz schön lange her!
Obwohl es mir unverändert geht, spinne ich mir in meinem Kopf Dinge zusammen, die sehr unlogisch sind…negative Dinge natürlich! Warum hat man dieses negative Denken? Was soll das? Es bringt doch überhaupt nichts, wenn man sich selbst runterzieht und sich Szenarien überlegt, die so abwegig und schlimm sind 🙄
Ich vertreibe diese Gedanken, lenke mich ab. Inzwischen bin ich Meisterin darin 😅 Bringt ja auch nichts sich einen Kopf über Dinge zu machen, die man sowieso nicht beeinflussen kann.
Momentan bekomme ich vermehrt Nachrichten von Patientinnen die große Angst haben. Angst vor dem was kommen könnte, Angst vor der Zukunft. Ich kann diese Angst durchaus verstehen, jedoch sollte sie nicht Besitz von uns ergreifen. Sie ist ein Teil von uns, sie kommt plötzlich und unerwartet, aber genau so sollten wir sie sehen. Als ein Teil von uns. Nicht ein Bestimmendes, alles Einnehmendes etwas das uns im Nacken sitzt. Nein, wir sollten es sehen als einen Teil über den wir die Macht haben. Wir können diesen Teil von uns selbst bestimmen. Mit guten Gedanken vertreiben. In eine Schublade legen und mit positiven Gefühlen so zu müllen, dass sie keine Kraft hat an die Oberfläche zu gelangen.
Beinahe täglich werden wir mit Todesanzeigen von anderen Patienten konfrontiert. Furchtbar. Unerträglich. Man sieht sich immer an deren Position. Die Gedanken, dass es einen genauso treffen kann, liegen nahe. Aber woher wollen wir das wissen? Jeder Mensch ist anders. Jede Krankheit ist anders. Warum also soll ich mein Herz mit Traurigkeit und Angst füllen, wo ich doch gar nicht weiß, wann meine Zeit gekommen ist um Abschied zu nehmen?! Ich, wir sind noch hier. Und es geht weiter. Und hoffentlich noch lange!
“Warum bereits Angst vor dem Berg haben, obwohl ich ihn noch gar nicht sehen kann?“
Diesen Satz wende ich für mich an. Mein Leben ist viel zu kostbar geworden, um es mit Sorgen zu füllen und diese Zeit an die Angst zu verschwenden.
Natürlich habe auch ich täglich meine Minuten in denen ich zweifle. Natürlich weiß ich nicht, ob ich mit meinem Mann alt werde und meine Tochter aufwachsen sehe. Das belastet uns Alle, nicht zu wissen was kommt. Und genau deswegen sollten wir unser Leben genießen, und Erinnerungen generieren.
Lasst uns täglich mindestens einen wunderschönen Moment genießen ☀️
Was war Euer letzter wunderschöner Moment?
Ich versuche des öfteren aus meinem Alltag zu entfliehen. So geschehen letzte Woche. Ich ging wandern. Der Moselsteig sollte es werden. Dieser Wanderweg wurde 2014 ins Leben gerufen und hat 365km in 24Etappen eingeteilt. Da ich nur fünf Tage Zeit hatte, hatte ich geplant in Perl zu starten und dann fünf Etappen zu wandern. Mit Zelt und Hund…
Ok, ich mache das nie wieder 🤪 Es ging schief, was nur schief gehen konnte! Die Hitze war unerträglich, die Zeltplätze sehr bescheiden und mein Rucksack mit 14Kilo viel zu schwer… Das war die Kurzfassung 🤣
Auf dem ersten Zeltplatz gab es keine Mülleimer und auf der Toilette kein Toilettenpapier. Es war auch nicht vorgesehen, dass es da welches gab. Die Halterung war nicht vorhanden! Der Griff nach rechts wo ich das nötige Papier vermutete ging ins Leere. Meinen Blick hätte ich schon gern gesehen 🫣 Zum Glück habe ich immer Tempos bei mir…Unglück abgewendet.
Dann in dieser Hitze weiter, Willi meine Bulldogge immer tapfer an meiner Seite. Wir kämpften uns durch die Landschaft und die kleinen Ortschaften in denen es nichts zu kaufen gab. Keinen Bäcker, kein Geschäft – nichts! Also musste ich unser komplettes Trinken mitnehmen. 2,5Liter schleppte ich mit mir rum, um dann trotzdem an Wasser zu sparen, damit Willi genügend zu saufen hatte. Meine Nackenschmerzen durch dieses große Gewicht wurden immer heftiger. An einem Tag beschloss ich dann, auf Grund der starken Hitze, dass wir mit dem Zug zum nächsten Zeltplatz weiterfahren. Wir machten auch einen Tag Pause, da es unverantwortlich gewesen wäre, weiterzugehen. Chillen war angesagt, Willi durfte schlafen und baden und ich hätte diesen Tag gerne aus meinem Kalender entfernt. Tja, hier kommt wieder der Spruch „Frau am Steuer…“ und leider muss ich ihm recht geben…Ich habe das Spielzeug meines Mannes, eine Drohne, im Fluss versenkt! Was habe ich geschwitzt beim Versuch, die Drohne aus einem Busch zu holen, der gefühlte zehn Meter, über den Fluss ragte. Keine Chance. Die Drohne flog ins Wasser und ging schneller unter wie ich sch… sagen konnte. Natürlich beichtete ich meinem Mann das Desaster sofort, und er reagierte wirklich super. „Ist doch ersetzbar, mach dir keinen Kopf!“ Puh…ich weiß natürlich, dass er nach dem Auflegen leise weinte, aber seine Worte taten mir gut 😉
Noch dazu musste ich an diesem Tag vom Verlust einer Bekannten erfahren, der mich sehr schockierte. Sie hat ziemlich das gleiche Krankheitsbild wie ich, ist im gleichen Alter, hat Kinder. Wie haben immer wieder miteinander geschrieben, hatten viele Parallelen. Im Juni hatten wir noch Kontakt, sie schrieb von einem Infekt und dass sie im Krankenhaus ist, aber alles wieder gut wird. Und jetzt ging es ganz schnell
Ruhe in Frieden 🖤
Und trotzdem wendete sich dieser Tag noch zum Guten. Ich fand einen Zettel an meinem Zelt…
Ich war total perplex und freute mich total. Natürlich würde ich gerne ein Schwätzchen halten ☺️
Erstmal versorgte ich Willi mit einem nassen Tuch….
Am Abend trafen wir uns dann in der Wirtschaft meines Campingplatzes. Heike ist eine begeisterte Pilgerin, war auch bereits zwei Mal auf dem Camino Portugues und möchte dieses Jahr für sechs Wochen den Camino Frances gehen. Toll! Ich wünsche ihr, dass sie ihren Weg findet und erfüllt nach Hause kommt. Buen Camino liebe Heike 🍀
Sie kommt aus Trier und hat mir nahe gelegt, den Mosel Camino zu gehen. Sie vergibt auch Betten an Pilger und ich könnte dann bei ihr in Trier übernachten. Vielleicht ist das mein nächstes Abenteuer?
Am nächsten Tag war es kühler, und wir gingen weiter nach Trier. Dort angekommen, packte ich als erstes alles aus, da ich morgens bei Regen alles eingepackt hatte. Zelt aufbauen, Schlafsack aufhängen, chillen. Gerade wollte ich mir Willi schnappen um mir Trier anzuschauen, sah ich an seiner Pfote eine Schwellung. Sofort dachte ich an eine Granne. So etwas hatte er bereits und die sollten zeitnah entfernt werden. Also rief ich in der Tierklinik an. Nein, heute haben sie keine Zeit mehr für ihn. Na super! Für mich war klar, jetzt geht es nach Hause! Ich packte alles wieder zusammen, wir nahmen den nächsten Zug zu unserem Startpunkt Perl und fuhren nach Hause. Mir reichte es!
Am nächsten Morgen gingen wir zum Tierarzt und es stellte sich heraus, dass ihm eine Talkdrüse geplatzt ist und das Sekret die Schwellung verursacht. Jetzt bekommt er Antibiotika und hat einen Verband an der Pfote. Keine Sorge, unserer Büffelhüfte geht es soweit gut ☺️
Ansonsten kann ich den Moselsteig nur empfehlen. Die Landschaft ist wunderschön, der Weg abwechslungsreich und mit den richtigen Unterkünften und einem angenehmerem Wetter bestimmt unvergesslich!
…
Ich warte hier übrigens immer noch…bereits seit zwei Stunden 🙄
…
Nach drei Stunden warten war es mir doch etwas zu lang. Ich ging zu meiner Nurse und wurde sofort weitergeleitet an die zuständige Ärztin. Mein weißes Blatt hält an! Weiterhin ist alles rückläufig. Der Wahnsinn 🍀 Inzwischen sind die Metatstasen um 60% zurück gegangen. Glücksgefühle kommen hoch. Das Herz pocht ❤️ Nur meine Neutrophilen sind wieder zu niedrig, war ja klar. Aber das macht nichts, über die rege ich mich schon lange nicht mehr auf 😉
Das ist ein kleiner Ausschnitt meiner Abbildungen der Metastasen, ich habe einige mehr. Es wird alles dokumentiert. Von der Baseline, also meiner ersten Untersuchung, bis jetzt. Und immer miteinander verglichen. Das finde ich sehr interessant und motiviert mich.
Nun sitze ich zu Hause, und warte, bis ich mit meinem Mann auf dieses weiße Blatt anstoßen kann ☺️
Ich wünsche Euch eine Woche voller weißer Blätter und sonnigen Gedanken ☀️
bleibt gesund 🍀